Hochschule Reutlingen
14.03.2022

Kommt jetzt der "Montag nach Corona"

Professor Johanna Bath über zwei Jahre Homeoffice, die Rückkehr ins Büro und die Zukunft der Arbeitswelt

Mit dem Laptop am Küchentisch, mit dem Diensthandy auf dem Sofa, mit den Akten im Bett – seit zwei Jahren arbeiten viele Deutsche im Homeoffice. Am 20. März läuft die Homeoffice-Pflicht für Unternehmen aus, viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kehren dann ins Büro zurück. Professor Johanna Bath von der ESB Business School der Hochschule Reutlingen lehrt und forscht zur Arbeitswelt der Zukunft. Im Interview erklärt sie, was nach zwei Jahren Homeoffice bleibt und was sich dringend ändern muss.

1. Professor Bath, zwei Jahre flächendeckend Homeoffice in Deutschland: Top oder Flop?

Ich würde sagen: Sowohl als auch! Top ist auf jeden Fall, dass viele Arbeitgeber stark in die Digitalisierung investiert haben. Das war auch vor Corona schon lange überfällig. Viele Befürchtungen, Homeoffice würde zu Leistungseinbußen führen, sind nicht eingetroffen. Virtuelles Arbeiten wird es auch in Zukunft geben. Als Flop sehe ich leider die noch immer fehlende Auseinandersetzung mit der Frage, wie das Arbeiten der Zukunft mittel- und langfristig aussehen soll. Viele Arbeitgeber warten immer noch auf den "Montag nach Corona", an dem alles wieder "normal" ist. Doch den wird es so nicht geben. Außerdem gibt es einige Themen, die nach zwei Jahren Homeoffice im Argen sind: Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind überlastet, Netzwerke sind geschrumpft und Führungskräfte finden die Führung auf Distanz auf Dauer belastend. Darauf müssen in Zukunft Antworten gefunden werden.

2. Homeoffice gab es in einigen Unternehmen schon vor der Pandemie, allerdings oft zeitlich eingeschränkt und technisch schlecht ausgestattet. Wird sich das jetzt dauerhaft ändern?

Ja, das glaube ich schon. Je nach Studie wünschen sich 70 bis 80 Prozent der Arbeitnehmenden auch in Zukunft die Möglichkeit, zumindest teilweise flexibel von zu Hause zu arbeiten. Knapp die Hälfte wäre sogar zur Kündigung bereit, wenn der Arbeitgeber ihnen nicht genug Flexibilität bietet. Insofern setzen sie hier ein klares Signal. Außerdem gibt es bereits Bestrebungen, dieses Recht in einem Homeoffice-Gesetz zu verankern. Unternehmen tun gut daran, sich damit auseinanderzusetzen.

3. Was müssen Unternehmen tun, damit mobiles Arbeiten für beide Seiten gut funktioniert?

Technisch wurde zu Beginn der Pandemie direkt aufgerüstet. In vielen Unternehmen endete damit allerdings die Unterstützung der Mitarbeitenden. Dabei wäre es genau jetzt an der Zeit, neue Arbeitsmodelle und Organisationsformen zu entwickeln. Dabei geht es um große Fragen, aber auch operative Details, die sich durch alle Bereiche des Unternehmens ziehen, von der Personalabteilung über die IT bis hin zum Gebäudemanagement. Genau das macht das Thema kniffelig: Die Verantwortlichkeit verteilt sich auf viele Schultern und deshalb fühlt sich keiner so richtig zuständig. Daher finde ich: Ein neues Organisationsmodell ist ein Job für die Geschäftsführung.

4. Und was sollten die Mitarbeitenden beachten?

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verhalten sich widersprüchlich: Auf der einen Seite wünschen sie sich die maximale Flexibilität, die ihnen das Homeoffice bietet. Auf der anderen Seite leiden viele unter den suboptimalen Arbeitsbedingungen, zum Beispiel Platzmangel oder ständige Ablenkung durch Haushalt und Familie. Hier herrscht dringender Schulungsbedarf. Mitarbeitende müssen lernen sich selbst besser zu strukturieren. Sie müssen entscheiden können wann, wo, wie und mit wem sie für eine bestimmte Aufgabe am besten arbeiten. Weit unter 10 Prozent der Beschäftigten in Baden-Württemberg hat bisher dazu Schulungsangebote bekommen. Hier herrscht Nachholbedarf.

5. Wenn wir von der Arbeitswelt der Zukunft sprechen, dann ist aktuell sehr viel die Rede von mobilem Arbeiten. Ist das wirklich alles, was wir brauchen?

Für die meisten Organisationen wird ein hybrides Arbeitsmodell das Ideal darstellen, also eine Mischung aus Büro und Homeoffice und vielleicht sogar weiteren Orten. Die Entwicklung eines sehr gut funktionierenden hybriden Arbeitsmodells ist ein wichtiges Projekt, das aktiv gestaltet werden muss. Daher ist hier die Geschäftsleitung gefragt. Sie muss beispielsweise entscheiden, wann welche Mitarbeitenden vor Ort sein sollen, um informellen Austausch, Beziehungspflege und gemeinsames Arbeiten zu ermöglichen. Wenn Präsenztage festgelegt werden, dann müssen dafür auch Raum, Zeit und die notwendige Infrastruktur da sein. Gute Konzepte gibt es hier bisher zu wenige.

6. Das klingt nach einem größeren Veränderungsprojekt?

Genau das ist es! Aber es lohnt sich. Viele wissenschaftliche Studien zeigen: Wer gut darin ist, ein hybrides Arbeitsmodell zu etablieren, der ist auch erfolgreicher in der Gesamtperformance, der Personalbindung sowie der Arbeitgeberattraktivität. Unternehmen können hier massiv gewinnen, wenn sie die aktuelle Situation als Chance zur Gestaltung begreifen.